New article by Forbes about NFTS feat. Kate Vass Galerie & Konig Galerie: PUNKS, KITTIES UND EINE REVOLUTION
Recent article by Forbes (DACH) about Punks, Kitties and revolution of digital art. They can be traded, but not replicated: Non-Fungible Tokens (NFT). The three letters have sparked a global hype around the collection of digital objects. Between astronomical profits and unrealistic wishful thinking. https://www.forbes.at/artikel/punks-kitties-und-eine-revolution.html
29. MAI 2021
Man kann sie zwar handeln, aber nicht replizieren: Non-Fungible Tokens (NFT). Die drei Buchstaben haben einen globalen Hype rund um das Sammeln von digitalen Objekten ausgelöst. Im Zentrum: Eine Kunstwelt zwischen astronomischen Profiten und unrealistischen Wunschvorstellungen.
Im Sommer 2017 starteten die beiden Softwareentwickler John Watkinson und Matt Hall in ihrem Unternehmen Larva Labs ein skurriles Projekt namens „Cryptopunks“. Es handelte sich dabei um eine digitale Sammlung aus 10.000 verpixelten Figuren, die jeweils durch Attribute wie Augenmasken, Zigaretten, Clownnasen und Hasenzähne einzigartig gestaltet wurden. Jedes dieser 24 × 24 Pixel großen Bilder konnte gekauft werden – von jedem, der eine Ethereum-Wallet hatte, also mit der Kryptowährung Ether (ETH) bezahlen konnte.
Ein Jahr später, 2018, wurden 24 dieser Artefakte in einer Blockchain-Ausstellung der Kate Vass Galerie in Zürich gezeigt. Es war das erste Mal, dass die Cryptopunks in der physischen Welt zu sehen waren. Zu jedem Kunstwerk – der Preis betrug 5.000 CHF pro Stück – gehörte ein versiegelter Umschlag mit einem digitalen Schlüssel, der den Beweis für dessen Originalität und Einzigartigkeit darstellte. Die Ausstellung war ein voller Erfolg: Das erste Set von zwölf „Punks“ war nach der Eröffnungsnacht ausverkauft. „Es war perfektes Timing“, erinnert sich Kate Vass, Inhaberin der Galerie, die selbst auch eines der Bilder gekauft hat. „Jetzt kauft jeder NFTs, mittlerweile sind sie aber allesamt überteuert.“
Dass die damals investierten 5.000 CHF ein Schnäppchen waren, ist aus heutiger Sicht mehr als nur eine Untertreibung: Mittlerweile ziehen die digitalen Bilder nämlich selbst die Aufmerksamkeit der größten Auktionshäuser der Welt auf sich. Ein Cryptopunks-NFT mit neun Punks wird im Mai 2021 von Christie’s versteigert – Expertenschätzungen zufolge könnte der Verkauf bis zu neun Millionen US-$ einbringen. Ein Kenner aus dem Auktionshaus Christie’s bezeichnet die Cryptopunks-Sammlung sogar als „Alpha und Omega der Crypto-Art-Bewegung“. Seit der Entstehung der Punks hat die gesamte Sammlung bereits mehr als eine halbe Milliarde US-$ an Verkäufen generiert.
Der bisher teuerste Punk ist die Nr. 7.804: Das Bild, das ein hellblaues Alien mit Pfeife und Sonnenbrille zeigt, ist rund 7,5 Millionen US-$ wert.
Um zu verstehen, wie es zu derartigen Verkaufszahlen kommen konnte, müssen wir einen Blick hinter die Kulissen der NFTs werfen. Dort agiert nämlich die Blockchain-Technologie, eine dezentrale öffentliche Datenbank, bestehend aus unterschiedlichen Plattformen und Systemen – und auf ihnen laufenden Kryptowährungen. Auch NFTs werden auf der Blockchain hochgeladen, zumeist – aber nicht immer – auf der Plattform Ethereum. Mit der gleichnamigen Währung (Kürzel: ETH) werden die Transaktionen dann abgewickelt. Jedes dieser Non-Fungible Tokens – Non-Fungible bedeutet „nicht austauschbar“ – ist ein Unikat und kann nicht dupliziert werden (im Gegensatz zu Bitcoin oder Fiatgeld). „Technisch gesehen ist ein NFT eine digitale Abbildung von geistigem Eigentum“, erklärt Philipp Sandner, Professor an der Frankfurt Business School und Leiter des dortigen Blockchain Centers. „Dieses Eigentum kann so ziemlich jede kreative Erfindung sein: ein Bild, ein Song oder ein Gedicht.“ NFTs können darüber hinaus aber auch die Form von Baseballsammelkarten, Tweets oder Magazincovern annehmen (etwa das jüngste Titelbild der Forbes-US-Ausgabe; das NFT davon wurde um 330.000 US-$ für den guten Zweck versteigert).
Künstler und Kreative haben somit also die Möglichkeit, ihre Arbeiten eigenständig online zu zertifizieren und zu monetarisieren – zuvor konnten digitale Werke per Download ganz einfach kopiert werden. „Der technische Kern existiert schon seit mehreren Jahren“, sagt Sandner. „Da nun aber Kreative die Technologie für sich entdeckt haben, bekommt das Thema eine ganz neue Einflugschneise.“ Der Verkauf von NFTs, der aktuell ausschließlich über Kryptowährungen geschieht, läuft auf eigens dafür vorgesehenen digitalen Marktplätzen, vergleichbar mit Amazon oder E-Bay. Die bekanntesten darunter heißen Rarible, Nifty Gateway (s. auch S. 23) und Open Sea und unterscheiden sich in ihrem Fokus und in ihrer Größenordnung.
Laut einem Bericht von Nonfungible.com betrugen die Verkäufe von NFTs im ersten Quartal 2021 mehr als zwei Milliarden US-$. Das ist eine Steigerung von etwa 2.100 % gegenüber dem vorherigen Quartal. Doch wie konnte in kürzester Zeit ein milliardenschwerer Markt heranwachsen? Verlagern Menschen in einer globalen Pandemie ihre Ausgaben in die digitale Welt? Oder trifft die Kryptobranche nach dem ICO-Wahn von 2017 und mit dem Anstieg des Bitcoin-Kurses plötzlich auf eine so viel breitere Akzeptanz? Ein springender Punkt, so Sandner, sei die neue Darstellungsweise – und die damit einhergehende bessere Verständlichkeit von NFTs: „Die Abstraktheit des Themas wird durch die Darstellung als digitales Kunstwerk plötzlich begreifbar. Eine virtuelle Sammelkarte der NFL (National Football League, Anm.) lässt sich mit den Pokémonkarten, die man in der Kindheit gesammelt hat, vergleichen“, erklärt er. Durch das Mitmischen von Berühmtheiten aus der Hip-Hop- oder Schauspielszene (etwa Rapper Snoop Dogg oder Schauspielerin Lindsay Lohan) schenken neue, breitere Gesellschaftsschichten dem Thema Blockchain und ihren Möglichkeiten neue Aufmerksamkeit.
Besonders aufmerksam wird das Geschehen in der Kunstszene verfolgt: Auktionshäuser und Galerien sehen sich keineswegs als obsolet an. Bei einer Auktion des renommierten Londoner Auktionshauses Christie’s wurde das digitale Gemälde „Everydays: The First 5000 Days“ des Künstlers Mike Winkelmann alias „Beeple“ im März für 69,3 Millionen US-$ versteigert. Das nicht weniger renommierte Auktionshaus Sotheby’s erzielte nur Wochen später bei seiner ersten NFT-Auktion 17 Millionen US-$.
Und auch Galeristen haben einen Weg gefunden, sich ein Stück vom Kuchen zu holen: Der Berliner Galerist Johann König setzte zuletzt im Zuge einer NFT-Auktion auf der Plattform Decentraland 46,3 ETH, umgerechnet rund 150.000 €, um.
Decentraland ist eine virtuell „begehbare“ Welt, in der man Land kaufen und ganze Events veranstalten kann – König organisierte dort die Ausstellung „The Artist is Online“. Nun will er seine Galerie als Vorreiter in der Szene positionieren: „Momentan bauen wir an unserem eigenen NFT-Marktplatz, bei dem auch traditionelle Zahlungsmittel wie Kreditkarten oder Banküberweisungen akzeptiert werden.“
Die Transparenz des NFT-Markts und die eigenständige Preispolitik, die mehr Macht in die Hände der Kunstschaffenden legt, begrüßt König sehr: „Der klassische Kunstmarkt ist sehr undurchsichtig und kann insbesondere auf Laien abschreckend wirken. Ich finde, dass die Offenlegung von Preisen für Kunst ein Demokratisierungsprozess sein kann. Und man holt neue Interessenten und potenzielle Käufer näher an sich heran.“
Ob das wirklich so stimmt, bleibt jedoch fraglich. NFT-Verfechter sagen, dass der neue Markt dem Künstler die Kontrolle über sein Werk zurückgibt und für jedermann zugänglich ist.
Doch die hohen Preise zeichnen ein ganz anderes Bild. Allein Beeples Rekordverkauf spiegelt wider, was auch im traditionellen Kunstmarkt gang und gäbe ist: Wenige große Künstler werden reich, während die Mehrheit keine Möglichkeiten hat, Geld und Aufmerksamkeit zu bekommen. Die wahren Gewinner sind wie immer in einem Goldrausch all jene, die die Schaufeln herstellen: In diesem Fall sind das die NFT-Marktplätze, die bis zu 15 % Kommission verlangen.
Egalitär oder nicht – der NFT-Boom eröffnet einigen Künstlern neue Wege, ihre Kreationen zu monetarisieren und zu kontrollieren. Die Gunst der Stunde nutzt etwa auch das Berliner Künstlerkollektiv Sucuk und Bratwurst. Ihre digitalen Designs sind mittlerweile in Musikvideos und auf Magazincovern von internationalen Stars und Marken wie Post Malone oder Adidas zu sehen. Ihr NFT „Broken Dreams“ ging auf der Plattform Foundation für 1,20 ETH (umgerechnet 4.100 US-$) über den Tisch. „So schnell und direkt für ein Kunstwerk bezahlt zu werden – insbesondere ein rein digitales –, ist für uns neu. Wir bemerken, dass viele Grafiker und Designer in unserem Umfeld dies auch als Anreiz sehen, selbst aktiv zu werden“, so Mitgründer Lukas Olgac. Kaum Blut geleckt, arbeitete das Kollektiv auch schon an seinem nächsten NFT-Streich: einer Kollaboration mit dem Deutschrapper Xatar, der im Zuge eines neuen Song-Release sein eigenes NFT veröffentlicht hat.
Nur eine kurze U-Bahn-Fahrt von dem Kollektiv entfernt lebt und werkt auch Simon Denny. Der gebürtige Neuseeländer, der seit Jahren in Berlin lebt, verfolgt die Szene schon lange – als Investor wie als Künstler. „Endlich trafen Kunst und Technologie mit beiderseitigem Interesse aufeinander“, so Denny. Die Kehrseite des Ganzen: Der Prozess des Kryptominings ist ein Energiefresser. Ethereum-Miner (Computer, die komplexe Algorithmen lösen) allein verbrauchen laut Digiconomist mehr als 42 Terawattstunden Energie (TWh) pro Jahr. Im März 2021 veröffentlichte Denny seine erste NFT-Kollektion mit dem Titel „NFT Mine Offsets“. Dafür kaufte er einen Ethereum-Mining-Computer für 3.000 € bei E-Bay, fertigte darauf sein NFT und spendete den Computer anschließend an ein Klimamodell-Projekt der Oxford University. 28 ETH – oder 50.000 US-$ – generierte der Verkauf. „Krypto ist ein Boom-Bust-Zyklus auf Steroiden“, gibt er zu. Aber: „Die Idee, dass man für ein JPEG oder ein Stück des Internets Geld verlangen kann, ist gewaltig.“
Doch der Schein, ein Allheilmittel gegen Raubkopien gefunden zu haben, währt nicht lange: Sogenannte „Scammer“ ahmen Künstler und ihre Werke nach und geben sich als diese aus; andere erschaffen ganze Marktplätze von Kopien. „Das ist eine normale Entwicklung auf einem neuen Markt, wir haben das Gleiche auf dem traditionellen Kunstmarkt erlebt“, so Vass. „Ich kann nur hoffen, dass das Gute das Schlechte besiegt.“ Das Versprechen auf leichtes Geld lockt Kunstschaffende wie Sammler, die Millionen US-$ ausgeben wollen, also auch auf falsche Fährten.
Auch Sandner sagt, dass mit jedem Hype eine Menge Imitatoren und Glücksritter kommen. „Mittlerweile ist der Markt auf der Angebotsseite völlig übersättigt. Dies spiegelt sich auch in den sinkenden Aktivitäten und Verkaufszahlen auf den NFT-Marktplätzen wider“, so der Experte. Laut der Nachrichtenseite Nonfungible.com war der Durchschnittspreis eines NFTs bereits im März 2021 um 70 % niedriger als im Vormonat. Auf Opensea betrugen die Verkäufe im April 2021 „nur“ je rund 100 Millionen US-$ – im Gegensatz zu 150 Millionen US-$, die die beiden Plattformen im Vormonat März jeweils generierten. Sandner sieht diese Entwicklung als organischen Prozess, mit dem nach einem Höhepunkt wie der Beeple-Auktion zu rechnen war. Und die vermeintliche NFT-Blase, die bald platzen könnte, sei in Wahrheit auch nur ein Bläschen: „In der bisherigen Phase wurden Transaktionsvolumen bewegt, die in keinster Weise mit dem damaligen ICO-Boom vergleichbar sind. Damals waren ja viele Milliarden US-$ im Spiel.“ Was also, wenn die NFT-Blase (oder laut Sandner: Bläschen) dennoch platzen sollte? „Die Blase wird platzen“, sagt Vass nüchtern. „Und dann wird sich der ganze Staub verziehen – und die wahren Pioniere und Verfechter von digitaler Kunst werden bleiben.“
Text: Olivia Chang und Chloé Lau
Fotos: X